INGRID AUS SICHT DER FAMILIE

Einzigartig, Vielseitig, voller Schaffenskraft und Ideenreichtum, Experimentierfreudig, wundervoll, neugierig und eigensinnig aber doch oft auch bescheiden, dass ist es was Ingrid Wuttke auszeichnet. Wir sagten immer:“ Gib ihr ein Stück Dreck und sie macht Kunst daraus“.

Oft war es nur ein Gespräch, ein Erlebnis, ein Spaziergang oder eine Wanderung die sie zu neuem Wirken und Werken anregte. Aus der Natur, durch Beobachtungen, aus Diskussionen und dem allgemeinen Weltgeschehen entstanden stets neue Ideen, die sie dann wiederum künstlerisch verarbeitete.

Sie beschäftigte sich mit der Erde und all Ihren Lebewesen, spirituell aber doch auch sehr weltlich. So war sie ihr ganzes Leben von frühester Jugend an bis zu Ihrem Ableben.

GERNE ARBEITETE SIE

mit allen Elementen. Sie nahm die Element Erde und Wasser um Dinge zu formen, die Elemente Feuer und Luft um sie zu härten. Sie wandelte Lehm in Tonskulpturen verschiedenster Brenntechniken wie offener Grubenbrand mit verschiedenen Holzarten, Raku-Brand und Glasur-Brände; Holz bearbeitete sie zu großen Statuen, Stein bearbeitete sie in schöne Formen und auch aus Bronze machte sie wunderbare Figuren.

Sie malte Bilder in Aquarell, ÖL, Kohlestiften und Wachs.
Sie erstellte Kollagen, bemalte Keramik zu Schmuckanhängern und noch so vieles mehr. Ihre Neugier mit neuen Materialien neue Gegenstände herzustellen kannte keine Grenzen.

UND DANN

erfand sie auch noch eine neue Technik um ihre Grubenbrandtechnik zu verbessern. Um die Glut im offenen Grubenbrand länger zu halten tauchte sie Leinentücher in eine Lehm-Wassermischung und deckte damit die Gruben ab. Der Sinn dahinter war die Glut länger – für mindestens 6 bis 8 Stunden zu halten. Nur dadurch hatten die Grubenbrand-Skulpturen dann die wunderschöne Patina von Braun-, Grau-, zu Schwarztönen.

Nachdem sie die Tücher von der erloschenen Glut abgenommen hatte sah sie, dass der Rauch und die Hitze auf den Tontüchern Bilder gezeichnet hatten. Sie breitete die Tücher aus lies sie erkalten und nahm die Lehmschicht ab. Die so entstandenen individuellen Feuerbrandtücher hat sie dann vorsichtig gereinigt und dabei die verschiedenen Maserungen, dunkle Formen, Bilder und Linien entdeckt.

DIESE TÜCHER

sind so besonders, dass sie einige davon kaum bearbeitet hat, sondern nur mit einem Kohlestift darüber ging oder ein paar spärliche Farbakzente gesetzt hat um ihnen „eine Richtung“ zu geben und das zu betonen was sie in den Schmauchspuren gesehen hat.

Ganz nach ihren Vorstellungen hat sie manche so entstandener Leinwände auf Rahmen gespannt und zu farbenfrohen Bildern gemalt. Diese „Feuerbrandtücher“ wurden somit zu ihrer ganz eigenen und einzigartigen Technik, die so besonders ist, dass das Museum of Art in Odessa und die Bayerische Staatsgemäldesammlung – Sammlung moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne in München jeweils ein Großgemälde von ihr kauften.

DURCH NICHTS

war sie aufzuhalten in ihrem Schaffens- und Tatendrang.

Am 06.01.2009 erlitt sie, durch einen Christbaumbrand den sie versuchte zu löschen, schwerste Verbrennungen im Gesicht und an beiden Händen. Das Haus brannte bis auf die Grundmauern nieder mit allem was sich darin befand- nur das was in Ihrem Atelier war konnte gerettet werden. Eine Figur- Die Gelassene- konnte aus Schutt und Asche gerettet werden. Diese Skulptur wird die Familie nie verlassen.

Nach einer sehr schweren Zeit mit vielen Haut- und Gewebetransplantationen fing sie sogar schon in der Reha wieder an Bilder zu malen. Sie lies sich dazu Stifte an die verbundenen Hände binden und eine Leinwand aufstellen. Ihre Hände hat sie nur durch eisernes Training wieder dazu gebracht ihr zu dienen. Sie baute ein neues Haus und gestaltete in Ihrem Atelier und ihrem Außenatelier in Schöntrunk noch viele Kunstgegenstände.

NACH DER DIAGNOSE

ihrer schweren Krankheit im Herbst 2017 und einer sehr schweren Operation hat sie bis kurz vor ihrem Ableben unter stärksten Schmerzen und Leiden noch Tonskulpturen und Bilder geschaffen.

Ihr allerletztes Bild ist ein Wunder und niemand weiß wie es entstanden ist und wie sie es „gezeichnet“ hat. Sie wusste, dass sie sterben wird und wir hatten einen „Insider“. Sie sagte bis zum Schluss: „Wenn schon Sterben, dann schön Sterben“……..also haben wir sie ein letztes Mal gewaschen geschminkt und schön umgezogen, sie selbst konnte es nicht mehr.

Wir machten dabei ein Foto von ihrer Körperrückseite, damit wir wussten wie wir sie die nächste Zeit lagern sollten, damit sie kein Durchliegegeschwür bekommt. Sie hatte schon einen leichten Dekubitus und uns erschien es wichtig, dass sie in Ihren letzten Stunden nicht leiden muss.

NACH IHREM TOD

sind wir die Fotos noch einmal durchgegangen um zu sehen, was wir davon löschen können und machten dabei eine unglaublich wunderbare und mysteriöse Entdeckung. Auf einem Bild entdeckten wir ein Gesicht mit zwei Flügeln gehalten von einer Hand, – gemalt durch ein Wunder auf ihren eigenen Körper in Form gebracht durch die Schöpferkraft. Dieses „letzte Bild“ sehen wir als Dankeschön und Botschaft von Ihr an uns alle.

Wir als Familie, aber mit Sicherheit auch viele Ihrer Wegbegleiter und Freunde werden diese wunderbare Frau weiterhin in all ihren Werken bewundern dürfen.

„Ich hätte noch so viele Ideen im Kopf, dafür wird dieses Leben nicht ausreichen, ich nehme dafür vielleicht das Nächste“, war einer Ihrer letzten Sätze.